Gerinnungssystem

Aus den Blutgefäßen entnommenes Blut «gerinnt» innerhalb weniger Minuten spontan im Reagenzglas. Dabei geht das Blut unter Beteiligung geformter Elemente vom flüssigen Zustand in einen gallertartigen Zustand über. Die Eigenschaft des Blutes, außerhalb des Gefäßsystems zu gerinnen, ist ein äußerst lebenswichtiger Vorgang, dessen Bedeutung im Schutz des Körpers vor Verlust seiner Blutflüssigkeit liegt.

Der zunächst allein aus Thrombozyten zusammengesetzte Wundpfropf ist nicht in der Lage, die verletzte Gefässstelle dauerhaft zu verschliessen.

Hierzu bedarf es der Mitwirkung des Gerinnungssystems, das zur gleichen Zeit, während der sich die komplexen Plättchenvorgänge abspielen, am Ort der Verletzung aktiviert wird. Dieser deutlich langsamer ablaufende Prozess endet in der Ausbildung von Fibrinfäden, die den Wundpropf netzartig durchspinnen und sich in der Regel auch in der näheren Umgebung des Propfes ablagern, wobei reichlich Erythrozyten mit eingeschlossen werden.

Seine endgültige Festigkeit erhält der Verschlusspfropf durch die Kontraktion der mit ihren Pseudopodien untereinander sowie mit den Fibrinfäden «verfilzten» Blutplättchen. An diesem Vorgang, der normalerweise 5 - 7 Minuten dauert (Gerin- nungszeit), ist neben den Thrombozyten eine Vielzahl plasmatischer Faktoren beteiligt (Abb 13; Tab. 8). Der eigentliche Gerinnungsprozess wird - wie die primäre Hämostase - durch die Gefäss- und Gewebsverletzung ausgelöst und auf zwei ver- schiedenen Wegen aktiviert:  exogener oder extravaskulärer Weg (Extrinsic-System)  endogener oder intravasaler Weg (Intrinsic-System) Auf dem exogene Weg erfolgt die Aktivierung sehr schnell (innerhalb von Sekunden), während der Aktivierungsprozess auf dem endogenen Weg über eine grössere Zahl von Zwischenstufen abläuft und längere Zeit (Minuten) benötigt (Abb. 14). An dem normalen Gerinnungsablauf sind in der Regel beide Systeme ineinandergreifend beteiligt. Durch die gemeinsame Endstufe der beiden aktivierenden Systeme wird schliess-lich Prothrombin (Faktor II) und unter Mitwirkung von →Vitamin K das in der Leber gebildet wird, in Thrombin umgewandelt. Das so entstandene Thrombin ist ein Enzym, welches das gleichfalls in der Leber synthetisierte Fibrinogen (Faktor I) spaltet und damit die Bildung von Fibrin einleitet. Die Reaktionen des Extrinsic-Systems beginnen damit, dass durch die Zerstörung von Gewebezellen ein Gewebsfaktor (Gewebethrombokinase, Faktor III) freigesetzt wird. Dieser aktiviert den plasmatischen Faktor VII, der am Ort der Verletzung gebunden ist. Der Faktor VII aktiviert seinerseits den Faktor X, der wiederum zusammen mit dem aktivierten Faktor V in Blut 53 Abb. 14: Die Gerinnungskas- Beschreibung und Erklä- rungen im Text. Anwesenheit von Ca2+ (Faktor IV) die Umwandlung von Prothrombin in Thrombin bewirkt. Im komplizierten, biologisch steuerbaren Intrinsic-System wird durch die kade:

 Endotheldefekt

langsam endogenes System Gewebsdefekt

 langsam

_ schnell Xinaktiv + + TF3 + V + Xaktiv + Ca2+ _ exogenes System

       rauhes Endothel IX

geschädigtes Gewebe

         + XII +XI

IX aktiv

VIII Ca2+

VIIaktiv Ca2+(IV) + XIII Fibrin

                  Thrombozyten       TF3 scheiden TF3 aus

Gewebs- thrombo- kinase (III) XIII verhindert vorzeitige Thrombolyse

      →Protein S →Protein C →ATIII

Inhibitoren ver- hindern über- schiessende Gerinnungs- prozesse _ Prothrombin Thrombin Fibrinogen + + fördert _ hemmt

                                        Fibrin vernetzt Thrombozytenpfropf

54 Blut rauhe Oberfläche verletzter Gefässstrukturen zunächst der kontaktlabile Faktor XII aktiviert, der auf die nächste Stufe des Systems einwirkt. Ab hier beginnt ein kaskadenförmiger (Gerinnungskaskade bzw. Wasserfallmechanismus; Abb. 14) Aktivierungsprozess, der über die faktoren XI und IX zur Aktivierung des Faktors X führt. Für die Reaktion der letztgenannten Stufe werden als Kofaktoren zusätzlich noch Ca2+, Faktor VIII-Komplex und Phospholipide aus den Thrombozyten (Plättchenfaktor 3, TF 3) benötigt. Auf der Stufe der gemeinsamen Aktivierung des Faktors X durch das intra- und das extravas- kuläre System fliessen die beiden Reaktionswege zusammen.